Baby
Erfahrungen im Alltag mit Stoffwindeln
Sophia hat sich bereits vor der Geburt ihres Sohnes gegen Plastik- und für Stoffwindeln entschieden. Sie erzählt, wie ihr der Einstieg in die Wickelmethode gelungen ist und verrät ihre persönlichen Tipps für Anfänger.
Funktionieren Stoffwindeln wirklich? Ist das nicht total teuer?
Wickeln mit Stoff ist eigentlich nichts Neues. Von jeher wurden Kinder damit trockengelegt. Der Boom der Wegwerfwindel begann in Deutschland erst in den 1970er-Jahren und verdrängte die traditionelle Wickelmethode schnell. Inzwischen ist die Stoffwindel wieder auf dem Markt – mit der klassischen Mullwindel von anno dazumal hat das aber nur noch wenig zu tun. Heute gibt es sogenannte „Stoffwindel-Systeme“ für jeden Bedarf. Ich habe erfahrene Begleitung durch den Dschungel aus aus Windelhöschen: Sophia und Mats. Sophia ist Sonderpädagogin und hat sich in der Schwangerschaft intensiv mit dem Thema Stoffwindeln auseinandergesetzt. Ihr Sohn Mats ist mit seinen drei Monaten mittlerweile Profi auf dem Gebiet: Für ihn sind die bunten Höschen Alltag – ob Tag oder Nacht, unterwegs wie zu Hause.
Tipp 1: Lasst euch beraten!
Sophia und Mats zeigen mir ihr gesamtes Repertoire an Stoffwindeln. „Das hätte ich mir damals auch gewünscht“, sagt Sophia. „Dass mir jemand, der Erfahrung auf dem Gebiet hat, alles erklärt.“ Denn das schreckt viele Eltern ab: die Komplexität des Themas gekoppelt mit einer hohen finanziellen Investition zu Anfang. Zwischen 350 und 800 Euro zahlen Mütter und Väter im Durchschnitt für eine neues Starter-Set. Bei solchen Preisen möchten Eltern natürlich sicher sein, dass sie es auch wirklich „durchziehen“ mit der unbekannten Wickelmethode. Häufig sind die Zweifel dann doch größer und der Griff zur Wegwerfwindel verlockender.
Und hier schließt sich auch schon ein erster Tipp für Interessierte an: „Im Nachhinein hätte ich eine professionelle Stoffwindelberatung in Anspruch genommen“, sagt Sophia. „Bei diesen Anbietern kann man nämlich auch Pakete für den Anfang mieten.“ Sophia ist einen anderen Weg gegangen und hat durch ausgiebige Recherche im Internet, einen Podcast und viel Ausprobieren zu ihrem Ziel gefunden. Zu Anfang musste sie sich für ein Stoffwindel-System entscheiden. Hier rauchen den Meisten bereits die Köpfe.
Die Stoffwindel-Systeme
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: das einteilige System, das zweiteilige und das dreiteilige. Welches System für Eltern das richtige ist, hängt unter anderem davon ab, wie viel Geld sie ausgeben möchten, ob sie vor allem Wäsche sparen wollen und ob sie mehrere Wickelkinder haben.
Das dreiteilige System besteht aus einer Außenwindel, die durch eine herausnehmbare Innenwindel ergänzt wird. Diese Kombination verhindert das Durchdringen von Nässe. Die „Hauptarbeit“ leistet die Saugeinlage, mit der die Innenwindel ausgelegt wird. Die Einlagen werden nach Gebrauch gewaschen, die Außen- und Innenwindel nur bei Bedarf. Das spart Wäsche, weil bestenfalls hauptsächlich die Einlagen im Wäschekorb landen und das Baby die Außen- und Innenwindel länger trägt. Das zweiteilige System besteht aus einer Saugeinlage plus einer Außenwindel, die den Nässeschutz bereits impliziert. Noch einfacher wird es beim einteiligen System, das quasi „all inclusive“ bietet. Die Stoffwindel vereint Saugeinlage, Nässeschutz sowie Außenwindel und wandert nach Gebrauch als Gesamtpaket in die Waschmaschine. Das ist einfach in der Handhabung, produziert aber viel Wäsche.
Tipp 2: Nicht dogmatisch sein!
Zurück zu Sophia. Der kleine Mats liegt er strampelnd auf der Wickelkommode. Ganz unten in der Kommode zeigt sie einen überschaubaren Vorrat an Wegwerfwindeln. Denn Stoffwindeln sind für sie und ihren Mann kein Dogma. „Wir waren auf einer Hochzeit eingeladen. Da haben wir Plastikwindeln mitgenommen“, erzählt sie. „Schon allein, weil die Wickeltasche mit den Stoffwindeln und Einlagen so umfangreich wird.“
Dass einmal etwas daneben gehe, passiere ihnen aber mittlerweile eher mit Plastik- als mit Stoffwindeln. „Klar, anfangs hatten wir auch mit den Stoffwindeln Unfälle“, berichtet Sophia. Aber sie hat das vielfältige Angebot an Einlagen und Windelhosen getestet und herausgefunden, wie die verschiedenen Materialien reagieren. Bei der Außenwindel setzt sie auf Wolle. Die absorbiert nach ihrer Erfahrung Feuchtigkeit hervorragend. Auch bleiben getragene Wollhöschen in der Regel geruchsfrei, sie lassen sich gut auslüften und müssen selten gewaschen werden. Ein bis zwei Maschinen pro Woche fallen für die Einlagen an. Diese werden in einem offenen Wäschesack in der Waschmaschine gewaschen. Sophia verwendet dafür ein Waschmittel ohne Enzyme, da diese die Naturmaterialien der Einlagen angreifen würden. Wollhosen legt sie hin und wieder in Lanolin ein. Das fettet und imprägniert.
Tipp 3: Probieren geht über Studieren!
Das zweiteilige System hat sich für die Familie aktuell als das optimale herauskristallisiert. Sie nutzt Außenwindeln mit Druckknöpfen oder ersetzt sie durch eine Schlupfhose aus Wolle. Es gibt auch Außenwindeln, die Eltern mit einer Klammer verschließen oder binden. „Man muss einfach viel ausprobieren und dranbleiben, dann klappt das“, betont Sophia. Für fast jedes Bedürfnis gibt es eine Lösung wie beispielweise die praktischen „Wetbags“ oder „Nasstaschen“, um gebrauchte Stoffwindeln unterwegs zu transportieren. Oder die Bodyverlängerungen mit Druckknöpfen, wenn die Stoffwindel zu viel Platz im Windelbereich benötigt. „Die ersten beiden Wochen nach der Geburt haben wir erst einmal mit Wegwerfwindeln gewickelt“, erzählt sie. Langsam haben sie sich über ein Set für Neugeborene an die andere Wickelmethode herangetastet. „Ich habe auch lange gebraucht, um in der Nacht mit Stoffwindeln zu wickeln“, so Sophia.
Stoffwindeln und Ökobilanz
„Man packt immer das ganze Kind in Bio-Baumwolle, da wollte ich auch keine Plastikwindeln verwenden. Dennoch leben wir nicht plastikfrei“, betont Sophia. „Aber vielleicht können die Stoffwindeln unser kleiner Beitrag für die Umwelt sein.“ Ob sich die Stoffwindeln finanziell mehr rentieren als Wegwerfwindeln, ist für Sophia zweitrangig. Wer im Internet dazu recherchiert, liest auf einschlägigen Webseiten: Stoffwindeln seien unterm Strich günstiger als Wegwerfwindeln. Für herkömmliche Windeln zahlten Eltern über die gesamte Wickelzeit im Durchschnitt 1.500 Euro samt Entsorgungskosten. Bei Stoffwindeln belaufen sich die ersten Anschaffungskosten auf 350 bis 800 Euro. 30 bis 40 Euro zahlt Sophia außerdem im Durchschnitt bei kleinen Manufakturen für jede neue Außenwindeln aus Wolle, wenn ihr Sohn aus einer Größe herausgewachsen ist. Für ihr zweiteiliges System hat Sophia stets sechs Stoffwindeln auf Lager. Hinzu kommen die Kosten für das Waschen, die je nach System unterschiedlich hoch ausfallen. Die Rechnung geht sicher beim zweiten Kind auf oder wenn Eltern ihre Sets später auf Plattformen wie Mamikreisel verkaufen. Müll sparen, gegebenenfalls auch Geld sparen – Sophia hat sich bewusst für einen Weg entschieden, der ihren eigenen Werten entspricht: „Es macht ein gutes Gefühl.“
Anja Janßen