Baby

Bruderherz und Schwesterlein

Eltern können einiges für eine positive Geschwisterbeziehung tun

Der neue Mensch im Bauch wächst und mit ihm meist auch die Freude – nicht nur bei den Eltern, sondern oft auch bei den Kindern, die bald Geschwister werden. Dann ist das Baby ist da.

Und der sonst eher ungestüme große Bruder ist auf einmal ein frommes Lämmchen und erzählt jedem stolz von seiner kleinen Schwester? Schön! Was aber, wenn ältere Geschwister eifersüchtig, ablehnend oder gar aggressiv auf den Familienzuwachs reagieren? Dann gilt: Durchatmen, nachdenken, handeln. Denn: Eltern können mit ihrem eigenen Verhalten viel bewirken. Dr. Heike M. Buhl, Professorin für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Universität Paderborn, erklärt, welche Geschwisterkonstellationen Rivalität begünstigen und was Eltern tun können, wenn die Freude über das Geschwisterchen nach der Geburt des Babys plötzlich weg ist.

Ein Baby ist unterwegs: Wie können Eltern ihre Kinder auf das neue Familienmitglied und die damit einhergehenden Veränderungen vorbereiten?
Es ist wichtig, die Kinder von Anfang an mit einzubeziehen. Zum Beispiel kann man gemeinsam überlegen, wo das Bettchen stehen soll. Dabei ist es gut, wenn Eltern das Kind bei den eigenen Überlegungen mitnehmen, also nicht einfach eine Lösung präsentieren, sondern das Problem ansprechen und dann schauen, welche Idee es dazu entwickelt. Inwieweit das funktioniert, hängt natürlich auch vom Alter des Kindes ab. Man muss schauen, dass es nicht überfordert wird.

Außerdem gibt es schöne Literatur zum Thema Schwangerschaft, Geburt und erste Zeit mit Baby. Das ist – glaube ich – auch hilfreich bei der Vorbereitung. Beim gemeinsamen Lesen und auch darüber hinaus können Eltern sich bewusst Zeit nehmen für das große Kind. Dabei lässt sich besprechen, was sich verändern wird und auch immer wieder der Bezug zum großen Kind herstellen, nach dem Motto: „Ach guck mal, den Strampler hattest du auch mal an.“ Eltern sollten auch klar machen, dass sie sich damals genauso auf das Kind gefreut haben wie jetzt auf das neue Baby. So gehen sie von Anfang an gegen Favorisierung an.

Was passiert auf emotionaler Ebene bei einem Kind, wenn es ein Geschwisterchen bekommt
Typische Psychologen-Antwort: Es kommt darauf an. Vor allem hängt es ganz stark davon ab, wie die Eltern sich in dieser Situation verhalten. Früher ging die Forschung davon aus, dass die Erstgeborenen mit der Geburt des zweiten Kindes sozusagen vom Thron gestoßen werden und diesem deshalb ablehnend begegnen. Heute wissen wir: In der Regel ist das nicht so, es sei denn Eltern inszenieren es dementsprechend, wenn also beispielsweise Bemerkungen fallen wie „Super, nach dem Mädchen kommt jetzt zum Glück ein Junge!“ Eltern sollten signalisieren: Du bist uns weiterhin wichtig. Und nicht: Das Geschwisterkind verdrängt dich von deinem Ehrenplatz.
Natürlich ist es so, dass Eltern mit der Geburt eines Babys weniger Zeit haben, aber die Forschung zeigt, dass sich dann oft der Vater beziehungsweise ein Elternteil verstärkt um das große Kind kümmert. Wenn das Kind so weiterhin einen Ansprechpartner hat, lässt sich diese Zeit meist ganz gut meistern.

Welche Gründe gibt es für Geschwisterrivalität nach der Geburt und in den ersten Lebensjahren?Geschwisterbeziehungen sind die konflikthaftesten überhaupt – und zwar bis ins Erwachsenenalter. Zwei Faktoren, die Rivalität zumindest begünstigen, sind ein geringer Altersabstand und wenn Geschwister das gleiche Geschlecht haben. Derartige Konstellationen müssen nicht unbedingt konfliktbehafteter sein, aber solche Geschwister haben auf jeden Fall ein stärkeres Bedürfnis, sich voneinander abzugrenzen.
Aber auch die Eltern spielen hierbei eine wichtige Rolle. Haben die ein Lieblingskind und behandeln ihre Kinder dann auch unterschiedlich, führt das relativ klar zu Geschwisterkonflikten. Natürlich gibt es immer ein gewisses Maß an Ungleichbehandlung: Einen Vierjährigen behandelt man anders als einen Einjährigen, zum Beispiel weil der eine noch getragen wird, während der andere schon selbst laufen kann. Das ist in Ordnung, solange die Kinder den Grund verstehen, Eltern also klar machen, dass es nicht an der Person des Kindes, sondern in diesem Fall am Alter liegt.


Wie sollten Eltern reagieren, wenn ein Kind nach der Geburt seines Geschwisterkindes rivalisierendes oder aggressives Verhalten gegenüber dem Baby zeigt?
Zunächst ist wichtig: Aufpassen, dass dem kleinen Kind nichts passiert und dem großen Kind klar machen: Das geht so nicht! Dabei aber auch darauf achten, dass das ältere Kind nicht zu sehr Schimpfe bekommt. Stattdessen lieber schauen, was die Aggression auslöst. Liest die Mutter beispielsweise seit Jahren dem großen Kind abends vor, und sagt nach der Geburt des Babys plötzlich „Ich kann das nicht mehr machen, du musst jetzt allein ins Bett gehen“ – da würde ich auch wütend werden. Eltern sollten also sehr sorgfältig in den Alltag gucken und überlegen: Was verändert sich gerade für das großes Kind? Welche Verluste erleidet es möglicherweise? Darauf können Eltern reagieren, indem sie beispielsweise Sachen beibehalten oder dem großen Kind tolle neue Rechte einräumen. Sie sollten Wege finden, den Älteren weiterhin gerecht zu werden und deren Bedürfnisse nicht stets jenen der kleinen Geschwister unterzuordnen, also zum Beispiel das Kleine nicht gerade zur Vorlesezeit des Großen zu wickeln.

Was können Eltern für eine positive Beziehung unter Geschwistern tun und was sollten sie vermeiden?
Vermeiden sollten Eltern Vergleiche. Vor allem, wenn das jüngere Kind etwas besser kann als das Ältere, ist das für das große Kind oft schwierig auszuhalten. Loben Eltern das kleine Geschwisterkind und sagen in diesem Zuge zum Älteren: „Das konntest Du aber noch nicht in dem Alter!“ – das geht dann schief.
Auf der anderen Seite geht es darum, dass Geschwister sich nicht ungerecht behandelt fühlen, dass sie sich gleich wertvoll und gleich geliebt empfinden. Eltern sollten deutlich signalisieren, dass das große Kind durch die Geburt des Geschwisterkindes wirklich nicht entthront wird, dass es weiterhin genauso wichtig und das neue Kind nicht wichtiger ist. So können Eltern den Grundstein für eine positive Geschwisterbeziehung legen.

Elena Berz

Schau gern mal hier vorbei