Alltag

Licht ins Dunkel bringen

Verein Sterntaler begleitet Kinder und Jugendliche bei der Bewältigung ihrer Trauer

Und plötzlich ist alles anders. Von einem auf den anderen Tag ist Papa nicht mehr da. Annusch  – gerade mal zehn Jahre alt –  muss lernen, mit dem Verlust klar zu kommen. „Das war keineswegs einfach“, erzählt ihre Mutter: „Die Kinder waren anfangs sehr unruhig.

Ich wusste nicht, wie sie mit dem Tod des Vater klar kommen würden.“ Zu der eigenen Trauer und der Frage „Wie geht es jetzt weiter?“ kam für sie die Sorge um die Kinder. Sie wandte sich an Sterntaler und weiß heute, einige Monate später, dass diese Entscheidung sehr hilfreich war. „Meine Tochter wusste nicht, was sie machen sollte, wenn sie ihren Papa vermisst. Jetzt weiß sie es. Meine Kinder haben zur Ruhe gefunden, haben sich langsam an die veränderte Situation gewöhnt.“

Kindern Raum für ihre individuelle Trauer bieten

Der Bielefelder Verein Sterntaler begleitet in seiner Beratungsstelle Kinder, Jugendliche und deren Familien sowohl während einer lebensverkürzenden Erkrankung als auch nach einem Todesfall auf ihrem ganz persönlichen Trauerweg. Dies geschieht vor allem in Einzelberatungen und in Gruppen mit Gleichaltrigen. Der Verein wurde gegründet, um auch Kindern einen Raum für ihre ganz individuelle Trauer bieten zu können.  „Der Tod eines Menschen im unmittelbaren Umfeld ist einschneidend. Die trauernde Mutter oder der Vater wissen oft nicht, wie sie ihren Kindern helfen können“, weiß  Sozialpädagogin Julia Sandau.   

Es kommt sogar vor, dass der Sohn oder die Tochter ihre Trauergefühle leugnen, um den verwitweten Elternteil nicht noch mehr zu belasten. Trauerbegleiterin Manuela Samotia: „Letztlich erleiden Kinder und Jugendliche oft einen doppelten Verlust. Sie fühlen sich in ihrem Schmerz häufig einsam,  allein gelassen oder nicht verstanden.“ Die psychotherapeutische Heilpraktikerin weiß, wie sich das anfühlt: „Ich war 13 Jahre alt, als mein Vater nach einer schweren Krankheit starb. Die eigenen Gefühle, Fragen und Unsicherheiten während der Erkrankung und nach dem Tod wurden sozusagen totgeschwiegen, weil keiner damit umzugehen wusste. Aber es ist wichtig, offen damit umzugehen.“

Trauerbegleiterinnen unterstützen wieder die Balance zu finden

Mit ihren Angeboten unterstützen die professionellen Trauerbegleiterinnen und zahlreiche Ehrenamtliche Kinder, Jugendliche und deren Angehörige darin, wieder die Balance zu finden. Denn die Trauersituation greift in das Leben aller Familienangehörigen. Julia Sandau benutzt das Bild eines Mobiles. Innerhalb einer Familie sind alle miteinander verbunden. Wird ein Teil davon weggenommen, kippt das Mobile und muss sein Gleichgewicht neu finden. In den geschützten Räumen von Sterntaler können die Betroffenen  ihren Gefühlen, Gedanken und Fragen Ausdruck verleihen.

So wie Lena (Name geändert), die ihren geliebten Opa verloren hat. „Mein Opa war mir sehr wichtig. Wir haben viel gespielt und unternommen.“ Sie genießt die Stunden bei Sterntaler: „Hier denke ich auch an die schönen Sachen, die ich mit Opa erlebt habe. Zu Hause denke ich nur darüber nach, dass er weg ist. Und das fühlt sich nicht gut an.“

Trauer hat ganz unterschiedliche Gesichter

Kinder und Jugendliche trauern anders als Erwachsene. Nicht so kontinuierlich, sondern eher in Schüben. „Kindliche Trauer zeigt sich oft sprunghaft im Wechsel von Gefühlen. Sie können einen Moment hemmungslos weinen und im nächsten wieder fröhlich spielen.“  Das ist individuell sehr verschieden. Wichtig auf Seiten der Erwachsenen sei, die Gefühle, die Kinder zeigen, nicht zu bewerten. Es gibt nicht eine bestimmte Form der Trauer. Manche ziehen sich zurück, andere zeigen ihre Emotionen kompromisslos. „Jedes Gefühl hat zu seiner Zeit seine Berechtigung. Auch Wut“, betont Manuela Samotia: „So war ein Kind total wütend auf die Ärzte, weil sie dem Papa nicht helfen konnten.“

Kinder brauchen eine verständliche und realistische Erklärung für den Tod

Ebenso wichtig sei, so Julia Sandau, die Kinder bei solch einem einschneidenden Ereignis nicht zu überfordern, aber auch nicht auszuschließen. Das sei falsch verstandene Rücksichtnahme. Formulierungen wie „die Oma ist eingeschlafen“ können auf Kinder verstörend wirken und Angst vor dem eigenen Einschlafen einjagen. Sie brauchen vielmehr eine verständliche und realistische Erklärung für den Tod, die sie begreifen. Sonst entwickeln sie eigene Bilder mit wohlmöglich schrecklichen Vorstellungen. Auch sollten sie die Möglichkeit des Abschieds haben.

Sterntaler unterstützt die Betroffenen dabei, ihre Trauergefühle wahrzunehmen und die Lücke, die durch den Tod entstanden ist, zu begreifen. Manuela Samotia: „Und ebenso möchten wir den Hinterbliebenen helfen, sich dem Leben wieder neu zuwenden zu können.“  So wie Annusch. Die Zehnjährige hat gelernt, offen über ihre Trauer zu reden. Nach jedem Treffen bei Sterntaler oder auch an einem anderen besonderen Tag schreibt sie ihrem verstorbenen Vater einen Brief. So lässt sie ihn teilhaben an ihrem Leben und sie ist überzeugt: „Mein Papa ist jetzt mein persönlicher Schutzengel. Ich sehe ihn nur nicht.“

www.sterntaler-trauerbegleitung.de

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