Alltag

Zwischen Kühen und Kids

Keine Scheu vor Verantwortung – weder familiär noch beruflich    

Das Gut Wilhelmsdorf im Süden Bielefelds hat eine lange Tradition. Von Pastor Friedrich von Bodelschwingh 1882 als Landwirtschaft mit sozialem Auftrag gegründet, wurde es 1995 an Johannes Berger und Dr. Ulrich Schumacher verpachtet und zu einem Bioland-Milchviehbetrieb mit einer Hofmolkerei und einem Bio-Lieferdienst umgebaut.

Doch beide haben sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und die Verantwortung des Betriebs mit immerhin 380 Hektar landwirtschaftlicher Fläche in jüngere Hände gelegt. Zwei davon gehören Maike Schumacher, die auf dem Hof aufgewachsen ist. Mit ihr gemeinsam stemmen Ehemann Jan Hoyer, Friederike Hegselmann und Caroline Barth die großen Aufgabenfelder mit 230 Kühen, eigener Hofmolkerei und Imkerei, Hofladen und Lieferdienst. Eins ist klar: Auf Gut Wilhelmsdorf in Eckardtsheim ist rund um die Uhr was los!

Bei einem Gespräch mit Maike und Friederike möchte ich mehr darüber erfahren, wie sie den Alltag als Geschäftsführerinnen und Mamas meistern. Denn beide haben nicht nur jeweils drei Kinder im Alter von 1,3,4 sowie 4,5 und 6 Jahren, sondern tragen auch als Betriebsleiterinnen gemeinsam mit Caroline und Jan die volle Verantwortung auf dem Hof. Das Quartett hat sich die Aufgabenbereiche nach Ausbildung und Neigung aufgeteilt. Alle vier sind zwischen 30 und 34 Jahren alt.

Familie und Betrieb als Gesamtheit betrachten

„Betrieb und Familie sind eins. Denn Leben und Arbeit passieren hier unweigerlich zusammen.“ Für Maike ist das nicht neu, sondern bedeutet back to the roots. Sie wuchs auf dem Gut auf, zog zum Studium der Agrawissenschaft weg und lebt nun mit Mann und Kindern wieder auf dem Hof. Ebenso hat sich Friederike – wie Maike gebürtige Bielefelderin und Agrarwissenschaftlerin – mit ihrer Familie dazu entschieden, dass der Arbeitsort auch gleichzeitig Wohnort sein soll. Das heißt zwar kurze Wege, aber auch rund um die Uhr parat zu sein, wenn man gebraucht wird: Beispielsweise bei der Geburt eines Kälbchens, das – nicht ungewöhnlich – auch mal mitten in der Nacht zur Welt kommen will.

Wie meistern sie nun ihren Alltag zwischen Kindern und Kühen? Bei dieser Frage sind Maike und Friederike sich einig: „Vereinbarkeit ist eine Herausforderung für die ganze Familie.“ Beide Frauen haben sich mit ihren Partnern Familien- und Hofarbeit fiftyfifty aufgeteilt. Aber nicht nur das: „Das alles klappt nur, weil wir ein gutes Netzwerk haben, das supportet: Großeltern, Tanten und Freunde, die einspringen.“

Zeit – ein knapper Faktor!

Das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben, kennen Friederike und Maike nur zu gut. Ganz oft steigt das Gefühl auf, beiden Aufgabenfeldern nicht gerecht zu werden. Nicht der Erwerbsarbeit. Nicht den Kids. „Für beide Seiten fühlt es sich oftmals zu wenig an.“

In solchen Momenten besinnen sie sich dann auf die Vorzüge ihres Alltags. Vor allem, was das Leben auf dem Gut für die Kinder mit sich bringt. Sie leben und erleben tagtäglich das, was andere Kinder sich „nur“ in einem Bauernhof-Buch anschauen können. Wie klingt überhaupt ein Traktor? Dazu müssen sie keinen Knopf drücken, um ihm zu lauschen, sie sitzen drauf und tuckern mit über die Felder.

Was ist im Hinblick auf die Familie die größte Herausforderung?

Die Antwort überrascht nicht, das kennen viele andere Familien auch. „Eng wird es immer dann, wenn Routinen durchkreuzt werden: Die Kinder krank werden, die Betreuungsangebote nur eingeschränkt stattfinden oder wahrgenommen werden können.“ Dann muss improvisiert werden. Dann greift das Kollektiv, eine/r passt auf alle Kinder auf, damit die anderen uneingeschränkt ihrer Arbeit auf dem Hof nachgehen können. Die Tiere müssen nun mal versorgt werden, komme was wolle.

Herausfordernd wird es auch immer in Arbeitsspitzen wie der Erntezeit. Da wird jede Kraft gebraucht.
Arbeiten auf einem Bauernhof bedeutet auch nicht zimperlich sein. Körperliche Arbeit gehört unweigerlich dazu und selbstständig heißt eben auch selbst und ständig. Da sind kleine Pausen und Auszeiten in Form von Urlaub besonders wichtig. „Wir versuchen uns gegenseitig vier Wochen Auszeit zu ermöglichen und das hat das vergangene Jahr auch gut geklappt.“ Trotz aller Herausforderungen.

Ein Blick zurück

In der Rückbetrachtung – so meinen sie – hätten sie vielleicht nicht alles auf einmal angehen müssen. So haben sie beispielweise den Hofladen neu konzipiert, die Milcherzeugung auf die sogenannte kuhgebundene Kälberaufzucht umgestellt (ein weiterer Schritt Richtung Tierwohl) und eine eigene Imkerei auf die Beine gestellt. Es gab viele Firsts. „Das war alles echt viel und hat viel Zeit gekostet.“ Projekte hätte man rückblickend entzerren können. Doch das weiß man immer erst hinterher. „Und wir wollen – so unser Anspruch – nicht nur gut sein, sondern auch besser werden“, sind sich beide Frauen einig. Was sie auch immer wieder genau so machen würden: den Hof übernehmen. Denn trotz seiner vielen Herausforderungen ist das Gut Wilhelmsdorf ihr persönliches, berufliches Glück!

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