Birgit Hoffmann engagiert sich beruflich und privat für Mädchen
Der Wunsch, im Beruf etwas zu bewirken, ließ sie nicht mehr los. Vor gut elf Jahren suchte Birgit Hoffmann eine neue, eine sinnvolle Arbeit - und erfuhr just in dieser Zeit, dass das Bielefelder Mädchenhaus eine Geschäftsführerin brauchte. Das passte! Seitdem setzt sich die 50-Jährige hauptberuflich für Mädchen ein, macht sie stark und trägt dazu bei, dass sie selbstbestimmt und gewaltfrei leben können.
Stark und selbstbestimmt - das trifft auch auf Birgit Hoffmann selbst zu. „Ich hatte das Glück, dass meine Eltern mir immer viel Vertrauen geschenkt haben und ich meinen eigenen Weg gehen konnte“, erzählt die Psychologin, die sich als Geschäftsführerin vor allem darum kümmert, die Arbeit des Mädchenhauses abzusichern. Eine wichtige Aufgabe, denn als autonomer Verein muss die Einrichtung immer wieder um ihre Existenz kämpfen, Geld für die Arbeit einwerben, Spenden sammeln. Auch als Birgit Hoffmann vor elf Jahren Geschäftsführerin wurde, war sie gleich als Krisen-Managerin gefragt.
„Damals drohte das Land, die Zuschüsse für unsere Zufluchtstätte zu streichen.“ 60 bis 80 Mädchen und junge Frauen finden dort jedes Jahr Schutz und Sicherheit. Es sind Mädchen, die mit ihren Eltern nicht mehr klar kommen, geschlagen oder vernachlässigt werden, die sexualisierte Gewalt erleben oder gegen den eigenen Willen verheiratet werden sollen. Für die Mitarbeiterinnen war es undenkbar, dieses Angebot aufzugeben. Ihnen war aber auch klar: Wenn wir als basisdemokratisch organisierter und aus der Frauenbewegung heraus entstandener Verein erfolgreich Widerstand leisten wollen, müssen wir uns weiter professionalisieren und brauchen eine Frau in der Leitung, die sich für unsere Belange einsetzt und notwendige Entscheidungen fällen kann.
Diese Rolle als Vermittlerin und Motor erfüllt Birgit Hoffmann bis heute. „Das passt auch zu mir. Ich bin eine Person, die gerne macht, die gerne Dinge in die Hand nimmt“, sagt die 50-Jährige, die seitdem manch zähe Verhandlung geführt hat - immer mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für die Mädchenarbeit zu verbessern und Angebote zu erhalten so wie die Zufluchtstätte. „Heute sind wir die einzige anonyme Zufluchtstätte für Mädchen in ganz NRW. Ich bin froh, dass wir damals gesagt haben: Wir schließen nicht, wir kämpfen.“
Mittlerweile beschäftigt das Mädchenhaus rund 70 Mitarbeiterinnen, die meisten davon in Teilzeit. Auch das Beratungs- und Hilfsangebot ist weiter gewachsen. „Cybermobbing, Zwangsheirat, Essstörungen, Inklusion, es gibt immer neue Themen und Facetten der Gewalt. Und darauf reagieren wir.“ Zum Beispiel mit der Einrichtung „Porto Amal“, wörtlich übersetzt ein „Hafen der Hoffnung“, in dem unbegleitete geflüchtete Mädchen während des so genannten Clearingverfahrens „anlegen“ können und in Obhut genommen werden. „Unseres Wissens nach ist das die einzige Einrichtung für minderjährige Mädchen dieser Art in Deutschland“, sagt Birgit Hoffmann und zeigt auf eine Weltkarte, die im Flur von Porto Amal hängt. Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Somalia - aus zig Ländern führen rote Fäden nach Bielefeld und symbolisieren die Wege der Mädchen nach Deutschland. Junge Frauen und Mädchen seien besonders gefährdet auf der Flucht Opfer von sexualisierter und körperlicher Gewalt zu werden, erzählt Birgit Hoffmann: „Wenn sie hier ankommen, brauchen sie auf jeden Fall die Sicherheit, dass sie keiner weiteren Gewalt ausgesetzt sind.“
Gewalt, Traumatisierung, Missbrauch - es sind belastende Themen, mit denen die Psychologin immer wieder bei der Arbeit konfrontiert wird. Einen Ausgleich und Abstand dazu findet sie durch ihre Familie und Hobbys. Birgit Hoffmann ist Mutter von einem Sohn, 7 Jahre, und drei Mädchen (10, 16, 20 Jahre). „Wenn ich zu Hause ankomme, holen mich meine Kinder ganz schnell raus aus der Arbeit“, sagt sie lachend. Außerdem sind da noch die Handball-Mädchen, die sie regelmäßig trainiert. Und sie fährt gerne Rad und spielt Klavier. Klingt nach einem bewegten und ausgefüllten Leben. Wie schafft sie das alles? „Nur gemeinsam mit meinem Mann, meinen Eltern und unserer Tagesmutter, also unserem kleinen privaten Netzwerk.“
Nicht zuletzt motiviert sie das Gefühl, das Richtige zu tun. Auch das setzt Energien frei. Das Schönste, sagt Birgit Hoffmann, sei mitzuerleben, wenn es den Mädchen und jungen Frauen gelingt, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und ihren eigenen Weg zu finden. „Dazu beitragen zu können, ist für mich einfach eine sinnvolle Arbeit.“
Silke Tornede
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