Beitragsbild: Simon Eymann
Reisen
Die Welt als Klassenzimmer
Drei Monate mit Kindergarten- und Schulkind auf Weltreise
Ich packe meinen Reiserucksack und nehme auch mit: die Schulhefte meines Kindes – und fliege damit nach Malaysia. Das klingt im ersten Moment nach einer ungewöhnlichen Packliste. Aber nicht, wenn das Abenteuer lautet: „Weltreise mit Schulkind“. Kein klassischer Familienurlaub in der unterrichtsfreien Zeit, sondern ein dreimonatiges Abenteuer mit Rucksack, auf das sich Laura und Simon mit ihren Kindern Eric (damals 8) und Luca (damals 4) eingelassen haben. Wow! Wie? Warum? Und vor allem: Was haben sie erlebt?
„Wir wollten nicht nur Urlaub machen – wir wollten einen Teil der Welt entdecken“
Laura und Simon sind Reise-Junkies. Beide waren schon einmal auf Weltreise und zuvor auch schon mit den Kindern viel unterwegs. Doch ganz oben auf ihrer „Reise-Wunschliste“ stand noch: eine Weltreise mit ihren Jungs. „Das ist nochmals eine ganz andere Nummer“, gesteht Laura. Drei Monate raus aus dem Alltag, rein ins Abenteuer. Warum? „Weil wir unseren Kindern zeigen wollten, wie vielfältig die Welt ist. Wir vier gemeinsam unterwegs.“
Die größte Hürde: Eric ist bereits Schulkind, ging in die dritte Klasse. Würde die Schule das mitmachen? Noch bevor sie ihre Idee mit den Kindern teilten, führte sie der erste Weg zu Erics damaliger Klassenlehrerin. Sie wollten von ihr eine Einschätzung, ob sie ihm das „Travel-Schooling“ zutraut und ob sie das Vorhaben als Lehrerin unterstützen würde. Ihre Reaktion war durchweg positiv. Mit diesem „Go“ baten sie die Schulleiterin um ein Gespräch. Ihre Antwort war unterstützend und pragmatisch zugleich: „Man lernt unterwegs so viele andere wichtige Dinge als auf der Schulbank. Drei Monate sind machbar, wenn sichergestellt ist, dass Sie und Eric den Schulstoff auf der Reise selbstständig erarbeiten. Schicken Sie mir die Flugdaten, und ich schreibe die Befreiung.“
Mit dem „doppelten Go“ begann die Planung. Simon und Laura überlegten sich die Route, buchten Flüge, Hotels für die ersten Nächte und den Camper für Australien. Die weiteren Unterkünfte und Pläne wurden unterwegs geschmiedet.
Von Malaysia bis Australien: Eine Reise voller Highlights und Herausforderungen
Malaysia → Indonesien → Australien → Thailand → Deutschland – der Rahmen ihrer Reise. (Seitlich als Grafik visualisieren)
Nach fast einem Jahr Vorbereitung und vielen Abenden voller Reiseplanung startete das Familienabenteuer fern der Heimat in Kuala Lumpur – eine moderne, laute, bunte Metropole. Die ersten Tage verbrachten sie damit, sich an das tropische Klima, die neuen Gerüche und das Gewusel auf den Straßen zu gewöhnen. „Eric rümpfte beim ersten Marktbesuch gleich die Nase, denn es roch überall sehr streng“, erinnert sich Laura. Schuld war die Durian-Frucht, die auch „Stinkfrucht“ genannt wird.
Drei Wochen lang reisten sie von Kuala Lumpur die Westküste Malaysias hinauf nach Penang. „Hier konnten wir uns langsam an das asiatische Leben gewöhnen“, sagt Laura. „In Malaysia kommt man mit Englisch gut zurecht.“ Ein idealer Start, um Vertrauen zu fassen.
Von dort ging es weiter nach Nord-Sumatra – und plötzlich waren sie mittendrin im Dschungel. Hier, am Rande des Regenwalds, lag ihr nächstes Ziel: „Project Wings“, ein Recycling-Dorf, in dem Einheimische und Freiwillige aus aller Welt Plastikmüll sammeln, recyceln und Umweltbildung betreiben.
„Wir waren Teil der Community“, erzählt Laura. Die Familie half mit, Müll zu sammeln, unterrichtete in lokalen Schulen Englisch und lernte, wie man aus PET-Flaschen Bausteine herstellt. „Eric war begeistert“, erzählt Laura. „Er spielte mit den Kindern und merkte: Die haben kaum Spielzeug und sind trotzdem so glücklich.“ Ein Satz, der ihn bis heute beschäftigt: „Mama, die Kinder dort haben eine viel schönere Kindheit als wir in Deutschland.“
Doch es gab auch Wehmut: „Zehn Tage waren zu kurz“, sagt Laura. „Wir hätten noch Wochen dort bleiben können.“ Die Arbeit im Projekt, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, die herzlichen Begegnungen – all das prägte die Familie. Sie mussten Eric fest versprechen, dass dies nicht der letzte Besuch bei „Project Wings“ war.
Über weitere indonesische Inseln ging es nach Adelaide. Die ersten fünf Tage verbrachten sie dort bei Simons Tante und Onkel. Dann mieteten sie sich einen kleinen, umgebauten Mietwagen, den sie zu ihrem „fahrenden Zuhause“ machten. Entlang der Küste ging es Richtung Sydney mit Stopps an traumhaften Stränden, Begegnungen mit Kängurus und Koalas.
Letzter Halt: Thailand. Durchatmen auf Ko Yao Noi, bevor es wieder nach Hause ging. Eine Woche Strand, Entspannung und Reflexion. „Hier konnten wir“, resümiert Laura, „die Eindrücke der letzten Wochen noch einmal sacken lassen und Sonne, Strand und Meer als ,grande finale‘ einer wunderbaren Reise genießen.“
Schule im Rucksack: zwischen Dschungel und Stränden
Drei Monate unterwegs mit einem achtjährigen Schulkind – das klingt nach einer großen Herausforderung. Doch Laura hatte einen genauen Plan. Das Thema Schule lag komplett bei ihr. Das hatten sie und Simon im Vorfeld so besprochen. Bereits vor der Abreise sichtete sie das Material, das sie von den Lehrerinnen erhalten hatte, und überlegte, was und wie viel sie täglich schaffen mussten, um den Stoff zu bewältigen.
„Wir hatten einen Schulkoffer dabei. Darin befand sich alles, was wir von der Schule erhalten hatten: Extra-Hefte für Deutsch, Englisch und Sachkunde.“ Erics Klassenlehrerin hatte sich bei der Erstellung des Materials so viel Mühe gegeben – viele Aufgaben waren sogar auf ihre Reiseroute abgestimmt. Das war alles andere als selbstverständlich.
Sein Stundenplan auf Reisen war variabel: „Mal wurde morgens im Hotel gerechnet, mal abends am Strand. An Reise- oder Krankheitstagen fiel die Schule aus und wurde an einem der nächsten Tage nachgeholt.“ Natürlich war beim Thema Schule nicht immer alles eitel Sonnenschein: „Es gab Tage, da hatte Eric einfach keine Lust auf Lernen. Aber das gehört dazu – wie zu Hause auch.“
Die Rolle einer Lehrerin einzunehmen, war für Laura auch nicht immer leicht: „Die volle Verantwortung lastete auf mir. Ich habe mich schon hin und wieder gefragt, ob Eric auch alles lernt, was er wissen muss, und keine Lücken hat.“ Am Ende konnte sie sagen: „Alles hat wirklich richtig gut geklappt. Aber das Thema Schule war auch das Anstrengendste der ganzen Reise.“
Gelernt hat Eric auf jeden Fall alles, was auf der Agenda stand – und noch so viel mehr: Ein paar Worte Indonesisch, aufgeschnappt zwischen Marktständen und Dschungelpfaden, Englisch, das plötzlich flüssiger klang als je zuvor, und die Namen exotischer Tiere, die er sonst nur aus Büchern kannte.
„Und die Schule? Die war erstaunlich cool!“
Nach drei Monaten Abenteuer war die große Frage: Wie wird die Rückkehr in den Schulalltag funktionieren? „Es war alles ganz entspannt. Keine Tests, die nachgeschrieben werden mussten, sondern Eric sollte in einem Referat seinen Mitschülern erzählen, welche Abenteuer er erlebt hatte.“ Eric zeigte Fotos von Malaysias Märkten, berichtete vom Dschungelprojekt in Indonesien und schwärmte von Australien.
Das Fazit von Laura und Simon: Wenn die Schule mitzieht, ist so eine Reise nicht nur machbar – sie wird zu etwas unglaublich Bereicherndem. Für Eric war es keine verlorene Schulzeit, sondern er besuchte das beste Klassenzimmer der Welt. Das Wichtigste, was die Kinder in diesen drei Monaten gelernt haben: das Staunen über fremde Kulturen, das Verstehen anderer Lebensweisen, das Begreifen, dass die Welt viel größer, bunter und vielfältiger ist als es ein Klassenzimmer je vermitteln könnte.
„Traut euch! Mit der richtigen Schule im Rücken wird aus einer verrückten Idee ein unvergessliches und bereicherndes/prägendes Abenteuer.“
Fame Bickley
Fotos: Simon Eymann
Seitlicher Kasten: Stichwort Gesundheit auf Reisen
Drei Monate durch Südostasien und Australien mit Kindern? Das muss auch gesundheitlich vorbereitet werden:
Zum einen mit einer Reisekrankenversicherung. Für die ganze Familie ging es vor der großen Reise zum Impf-Check zu einer Tropenmedizinerin. „Luca hat sieben Spritzen bekommen, das war hart, aber notwendig“, sagt Laura. Eric hatte schon ein paar Impfungen von früher, da reichte teils eine Auffrischung. Simon und Laura mussten nur ein paar Lücken schließen.
Für die Reise selbst hatten sie eine prall gefüllte Reiseapotheke dabei: „Neben Fieber- und Schmerzmitteln für alle Reisenden, Durchfalltabletten, Elektrolytpulver und einem Erste-Hilfe-Set durften auch Jodsalbe, Augentropfen, ein Mittel gegen Reiseübelkeit, Nasenspray, Schmerzgel und eine Creme gegen Juckreiz nicht fehlen. Ebenso reichlich Anti-Mückenspray und Sonnencreme – zumindest für den Start.“
Bei drei Monaten auf Reisen bleibt kein Immunsystem ungetestet. Auch von den Vieren nicht: In Indonesien, nach ihrem Dschungelabenteuer, fing Eric plötzlich an, hoch zu fiebern. „Da hatte ich echt Angst bekommen“, gesteht Laura. „Dengue? Eine andere Tropenkrankheit?“ Die Familie rief ihre Reisekrankenversicherung an, die ihnen einen englischen Arzt vermittelte. „Die ärztliche Versorgung war top, und glücklicherweise war es am Ende nur ein Virusinfekt, der uns alle nacheinander flachlegte. Nach ein paar Tagen Krankenlager war der Spuk zum Glück wieder vorbei.“
© Simon Eymann
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