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Über Gott und die Welt

Montagabend, kurz nach 19 Uhr. Rund 20 Jugendliche sind zum Mitarbeiterkreis gekommen, haben es sich auf Sitzsäcken gemütlich gemacht. Brainstorming - heute geht es darum, Ideen für den nächsten Konfiball zu sammeln. An anderen Montagen wird ein Gottesdienst geplant oder das selbstgeschriebene Weihnachtsstück geprobt. Jugendliche gestalten ihre Kirche selbst – das ist das Konzept der Jugendkirche luca in Bielefeld-Schildesche. Begleitet werden sie dabei von Jugendreferentin Simone Osterhaus, die den Teenies hilft, eigene Ideen in die Tat umzusetzen. Oder wie sie es sagt: „Ich ermutige Jugendliche, hoch zu fliegen und fange sie auf, wenn etwas nicht klappt.“

Sie macht Jugendliche stark und motiviert sie, neue Dinge auszuprobieren. Auch so könnte man den Job von Simone Osterhaus beschreiben. „Und irgendwie gelingt es ihr, dass man Sachen macht, die man sich sonst nicht traut“, erzählt ein 17-Jähriger aus dem Mitarbeiterkreis. Zum Beispiel auf der Bühne stehen und vor hunderten von Leuten sprechen. Vor Publikum singen oder für die Musik beim Konfiball verantwortlich sein. Wie sie das schafft? „Meistens reicht es, einfach Vertrauen in die Leute zu setzen“, sagt Simone Osterhaus, die immer wieder miterlebt, wie die jungen Leute an neuen Aufgaben wachsen.   

„Ich glaube an dich“ - so lautet der doppeldeutige luca-Claim. „Damit drücken wir auch aus, dass wir eine kirchliche Einrichtung sind und dass der Glaube hier Platz hat.“ Aber auf eine coole, jugendliche Art - das wird schon beim Betreten der ehemaligen Erlöserkirche deutlich. Kreuz, Altar, Orgel und die alten Kirchenfenster sind geblieben, aber es fehlen Bänke und Stühle. Der Kirchenraum ist weiß gestrichen, die dicken Sitzsäcke können schnell zur Seite geschoben werden, und schon ist Platz für eine Party in der Kirche mit Scheinwerfern und Diskokugel, ein Konzert oder ein Theaterprojekt.

Viele hundert Jugendliche aus Bielefeld erreicht die Jugendkirche jedes Jahr mit ihren Angeboten. Rund 35  arbeiten ehrenamtlich mit und bilden das Team um Simone Osterhaus. Freunde treffen, sich angenommen fühlen, gemeinsam Projekte auf die Beine stellen - das motiviere viele, hier mitzumachen, erzählt ein Mädchen. „Man engagiert sich für andere und sieht ein Ergebnis.“ So basteln die Jugendlichen zum Beispiel Schultüten für Kindergartenkinder, die zum Schulanfang sonst leer ausgehen würden. „Es geht darum, den Glauben zu leben“, erklärt Simone Osterhaus, egal ob jemand in der Kirche ist oder nicht. Rund ein Drittel in ihrem Team sei nicht getauft oder konfirmiert. „Die finden sich aber trotzdem in den Projekten wieder, weil sie etwas anderes reizt.“ Weil sie Fragen haben über Gott und die Welt, sich mit dem Sinn des Lebens beschäftigen. „Über den Glauben zu reden ist Jugendlichen wichtig -  mehr als man denkt“, weiß sie. Auch dafür ist in der Jugendkirche Zeit und Raum.  

Für sie persönlich habe der Glaube einen festen Platz im Leben. „Wobei ich das nicht wie ein Schild vor mir hertrage.“ Erst recht hätte sie als junge Frau nicht gedacht, dass sie einmal bei der Kirche arbeiten würde. Nach dem Abitur machte die Bielefelderin zunächst eine Ausbildung als Steuerfachgehilfin („das war nicht meins“), sattelte Fortbildungen im Coaching sowie als Projekt- und Eventmanagerin drauf, studierte Erziehungswissenschaften und kam zufällig über ein Praktikum zur Evangelischen Jugendarbeit. Als der Kirchenkreis 2008 eine Kirche nur für Jugendliche gründete, fand Simone Osterhaus diese Idee „so toll, dass ich unbedingt dort arbeiten wollte.“ Sie bekam den Job. „Und die Stationen davor helfen mir bis heute“, sagt die 41-Jährige, die sich um Finanzen und Büro genauso kümmern muss wie darum, Jugendliche als Teamer für die Sommerfreizeit fit zu machen oder das Bühnenbild für den Konfiball mitzugestalten.

Vielfalt und Kreativität, das schätzt sie an ihrem Beruf. „Ich brauche Abwechslung, meint mein Mann.“ Auch in ihrer Freizeit macht sie gerne neue Dinge, die den Horizont erweitern, oder verbringt Zeit mit Freunden und Patenkindern. „Mit den Terminen ist das leider nicht immer einfach, weil ich oft arbeite, wenn andere frei haben.“ Und noch eines sei schwierig in ihrem Job: Die Jugendlichen ziehen zu lassen. „Das ist hart. Ich sehe, wie sie mit 12, 13 Jahren einsteigen, wie sie sich entwickeln und nach dem Abi dann gehen.“ Zum Fliegen bringen, auffangen und loslassen: „Das muss ich jedes Jahr neu lernen.“                                                                                                                           Silke Tornede

Foto: www.katrin-biller.de