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Plädoyer für die Kartoffel

Bekannt, aber verkannt

Die genussvolle Knolle

Sie trägt so klangvolle Namen wie Agria, Bellinda, Cilena und Linda. Selbstbewusstsein könnte der Kartoffel in vielen Belangen gut zu Gesicht stehen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Denn eigentlich führt Solanum tuberosum, so ihr lateinischer Name, ein Dasein im Untergrund. Erst wird der Erdapfel in den Boden eingebuddelt und darf erst dann wieder raus, wenn er groß und kräftig genug ist. Und ist das Nachtschattengewächs dann nach der Ernte von Schmutz und Erde befreit, wird es sogar häufig in den kühlen Keller gesperrt.

Es wird also höchste Zeit, die Knolle vom Rand ins Zentrum des Tellers zu rücken. Schluss mit solchen Erniedrigungen wie Sättigungsbeilage. Das ist nicht das Ansehen, das ihr wirklich gebührt!

Denn welches Gemüse schafft es schon,  gekocht, gebraten, fritiert oder gegrillt serviert zu werden und in allen Zubereitungsarten gut zu schmecken?Mal bodenständig bescheiden nur mit etwas Salz und Butter, mal zu feinstem Schaum geschlagen, zergeht sie auf der Zunge. Ob Tortilla, Rösti, Gnocchi oder Schupfnudeln- auch aus der europäischen Küche  ist die Frucht nicht mehr wegzudenken.

Kaum zu glauben, dass die Kartoffel zunächst als exotische Zierpflanze den Weg nach Europa und erst Jahrhunderte später auf unsere Teller fand. Spanische Eroberer brachten sie im 16. Jahrhundert aus Südamerika mit in ihre Heimat. Von dort verbreitete sie sich langsam in ganz Europa. Heute ist sie nach Reis, Mais und Weizen, das viertwichtigste Nahrungsmittel weltweit. 5000 Kartoffelsorten gibt es weltweit, 120 sind in Deutschland zugelassen. Jeder Bundesbürger verbraucht im Schnitt im Jahr etwa 63 Kilogramm Knollen. Dann muss ja wohl doch was dran sein an der Kartoffel.

Die wertvolle Knolle 

Kartoffeln lediglich als Begleiter von Fleisch und Salat zu betrachten, ist mehr als unverdient. Denn neben der sättigenden Stärke, die dringend benötigte Kohlenhydrate für Gehirn und Muskeln liefert, verfügen Kartoffeln über lebensnotwendige Proteine, jede Menge Vitamine und viele Mineralstoffe. Außerdem enthalten sie wichtige Ballaststoffe und so gut wie überhaupt kein Fett, wenn sie nicht als Pommes, Bratkartoffeln oder Reibekuchen zubereitet werden. Sie bestehen nämlich zu gut drei Viertel aus Wasser. Von wegen Dickmacher: 100 Gramm Kartoffeln enthalten gerade einmal etwa 70 Kilokalorien (kcal),  Reis dagegen 95 kcal und Nudeln 150 kcal.

Die Kartoffel liefert hochwertiges Eiweiß und verschiedene Vitamine, vor allem des B-Komplexes. Besonders viele Vitamine und Nährstoffe liegen direkt unter der Schale. Um beim Kochen nicht zu viel davon zu verlieren, sollten die Kartoffeln möglichst mit Schale gekocht und erst danach gepellt werden. Am besten erhalten bleiben die wertvollen Inhaltsstoffe bei schonender Dämpfung.

Die geheimnisvolle Knolle

Zauberknete und Tapetenkleister

Für die Knete in einer Schüssel drei Teile Stärke und zwei Teile Wasser miteinander vermischen und umrühren. So  entsteht eine zähe Masse. Nun einen großen Klecks davon in die Hand nehmen und kneten. Was passiert? Die Masse wird fester! Aber sobald die Hand ruht, fließt die Knete wieder weg.

Wie ist das möglich? Die Begründung liegt in der Molekülstruktur der Stärke. Die besteht aus winzig kleinen Körnern, die von einer Wasserhülle umgeben sind. Wirkt Kraft ein, indem die Masse zum Beispiel geknetet wird, verhaken sich die Körner miteinander. Die Folge: Das Gemisch wird fest. Sobald die Hand wieder ruhig gehalten wird, fließt die Knete weg.

Oder wie wäre es mit Hilfe von Kartoffelstärke und Wasser einen geheimen Tresor oder Tapetenkleister herzustellen? Schwer vorstellbar? Dann einmal in Professor Proto’s Fantastischem Institut die Videos ansehen. www.professor-proto.de

Die kunstvolle Knolle

Die Kartoffel schaffte es nicht nur auf die Teller der westfälischen Bauern, sondern auch auf die Bilder des Künstlers Peter August Böckstiegel. Immer wieder taucht sie in seinen bunten Gemälden auf. Kein Wunder, denn das ländliche Leben rund um sein Elternhaus in Werther prägte seine Kunst. Und so hat er auch eine besondere Beziehung zur Kartoffel. Denn der junge Peter musste nicht nur mit seinen Geschwistern bei der Kartoffelernte helfen, sondern auch das Kartoffelschälen übernehmen. Das, so die Kunstpädagogin Maria Ferreira-Obenhaus, sei früher Aufgabe der Kinder gewesen.

Das Böckstiegelhaus, der beste Ort also, um mit der Kartoffel kreativ zu arbeiten. Denn mit der Knolle lässt sich wunderbar malen, genauer drucken. Eine Technik, die nicht nur ein kostengünstiger Bastelspaß für Kinder ist, sondern auch von kleinen Kindern ohne große Schwierigkeiten durchgeführt werden kann. Der Fantasie sind beim Druck keine Grenzen gesetzt, denn es müssen nicht zwangsläufig aufwändige Reliefs in die Kartoffel geschnitzt und geritzt werden.

Mit kleinen getupften Punkten einer Minikartoffel lassen sich beispielsweise die Raupe Nimmersatt oder Weintrauben malen. Statt mit dem Messer lassen sich mit Plätzchenformen tolle Druckstempel aus der Kartoffel zaubern. Überschüssige Kartoffel einfach wegschneiden. Als Farben eignen sich Wasser- oder Acrylfarben. Auf diese Weise können dann Bilder, Geschenkpapiere oder auch persönliche Glückwunschkarten gestaltet werden, wie das Sonka, Patricia, Felicia und Anyi an diesem Nachmittag im Böckstiegelhaus taten.